Das Notvertretungsrecht für Ehegatten ist ein bedeutendes rechtliches Konzept, das in bestimmten Situationen zum Tragen kommt, wenn einer der Ehepartner vorübergehend handlungsunfähig ist.
Es ermöglicht dem gesunden oder handlungsfähigen Ehepartner, im Namen des anderen zu agieren und wichtige Entscheidungen zu treffen.
Doch welche Rechte und Befugnisse beinhaltet das Notvertretungsrecht für Ehegatten genau? Und wie funktioniert es in der Praxis? Die wichtigsten Aspekte haben wir im Folgenden für Sie zusammengefasst.
Was ist das Notvertretungsrecht für Ehegatten nach § 1358 BGB?
Das Notvertretungsrecht für Ehegatten ist in § 1358 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Deutschland geregelt und ist am 1. Januar 2023 in Kraft getreten.
Das Ehegattennotgesetz besagt, dass Ehegatten einander in medizinischen Notlagen vertreten dürfen, auch ohne ausdrückliche Vollmacht. Es ermöglicht einem Ehegatten, im Namen des anderen Ehegatten rechtsgeschäftliche Handlungen vorzunehmen, wenn dieser dazu nicht in der Lage ist – oder sich in einer Situation befindet, in der eine sofortige Handlung erforderlich ist.
Dies war bislang nur möglich, wenn eine gemeinsame Vorsorgevollmacht vorlag. Seit dem 1. Januar 2023 können sich Ehegatten auf diese Weise im Notfall – für maximal sechs Monate – gegenseitig vertreten.
Vor dem 1. Januar 2023 waren Ehepartner nur dann zu entsprechenden Entscheidungen befugt, wenn eine Vorsorgevollmacht vorlag. Das Notvertretungsrechts für Ehepartner schließt die wichtige rechtliche Lücke, bei fehlender Vorsorgevollmacht, in Zeiten der Not.
Beispiel für das Notvertretungsrecht nach § 1358 BGB
Nina und Sebastian sind seit vielen Jahren verheiratet. Eines Tages erleidet Sebastian einen schweren Verkehrsunfall und wird ins Krankenhaus eingeliefert. Er ist bewusstlos und kann daher keine Entscheidungen treffen, ob er die lebensnotwendige OP möchte. Es muss schnell eine Entscheidung getroffen werden.
In diesem Szenario hat Nina, als Sebastians Ehefrau, das Notvertretungsrecht.
Da Sebastian nicht in der Lage ist, diese medizinische Entscheidung zu treffen, kann Nina in seinem Namen handeln. Sie kann die erforderlichen Einverständniserklärungen für die Operation unterschreiben und die medizinische Entscheidung treffen.
Welche Voraussetzungen müssen vorliegen, damit das Notvertretungsrecht für Ehegatten in Kraft tritt?
Bei Erfüllen der nachfolgenden Voraussetzungen ist der behandelnde Arzt verpflichtet eine entsprechende Bescheinigung zu erstellen, mit welcher der Ehepartner von seinem Recht Gebrauch machen kann.
Voraussetzungen:
- Der Ehepartner ist, zum Beispiel aufgrund eines Unfalls oder einer schweren Erkrankung, nicht mehr selbst in der Lage Entscheidungen zu seiner medizinischen Behandlung oder Unterbringung zu treffen.
- Es liegt keine Vorsorgevollmacht vor.
- Die Ehegatten leben nachweislich nicht getrennt.
- Dem behandelnden Arzt, der die Bescheinigung ausstellt, ist nicht bekannt, dass der erkrankte Ehegatte eine Fürsorge durch den Ehepartner ablehnt.
Das neue Gesetz beschränkt sich nicht nur auf Entscheidungen der medizinischen Versorgung. Der Ehepartner ist darüber hinaus berechtigt, Verträge abzuschließen, die im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlung stehen.
Darüber hinaus ist der Ehepartner berechtigt, über so genannte „freiheitsentziehende Maßnahmen“ zu entscheiden, wie zum Beispiel das Anbringen von Bettgittern oder die Gabe von ruhigstellenden Medikamenten. Die Maßnahme ist auf einen Zeitraum von sechs Wochen beschränkt.
Ergeben sich, aufgrund der Notsituation, Ansprüche gegenüber anderen Personen, kann der vertretende Ehepartner diese – nach §1358 BGB – geltend machen (z. B. Ansprüche gegenüber Unfallgegnern, etc.).
Fazit
Das Notvertretungsrecht ist ein wichtiger rechtlicher Mechanismus, der Ehepartner in kritischen Situationen befähigt, füreinander einzustehen und Entscheidungen zu treffen, wenn einer von ihnen vorübergehend handlungsunfähig ist.
Es ist wichtig zu beachten, dass das Notvertretungsrecht nach § 1358 BGB keine uneingeschränkte Vollmacht für den Ehegatten darstellt. Es beschränkt sich auf medizinische Notfälle und erlischt, sobald der vertretene Ehegatte wieder handlungsfähig ist oder der Notfall beendet ist – spätestens aber nach sechs Monaten. Das Notvertretungsrecht gilt zum Beispiel nicht für Versicherungsangelegenheiten oder Bankgeschäfte.
Sollte eine Vertretung über sechs Monate hinaus erforderlich sein, ist das Betreuungsgericht einzuschalten. Hier wird entschieden, wer künftig die Interessen des Erkrankten vertreten wird.
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Photo by EKATERINA BOLOVTSOVA: https://www.pexels.com/photo/lady-justice-and-a-gavel-6077123/